13.12.2023

EKD: Gemeinsame Erklärung mit UBSKM: Kommissionen für die unabhängige Aufarbeitung

UBSKM, EKD und Diakonie Deutschland haben eine „Gemeinsame Erklärung“ zu Standards der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche unterzeichnet. Das Dokument sieht vor allem den Aufbau „Unabhängiger Regionaler Aufarbeitungskommissionen“ vor. Diese Aufgabe geht die Nordkirche gemeinsam mit der EKBO und den regionalen Diakonischen Werken an.

Am Mittwoch, den 13. Dezember 2023 unterzeichneten Anne Gidion, die Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland sowie die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Kerstin Claus in Berlin die „Gemeinsame Erklärung über eine unabhängige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie nach verbindlichen Kriterien und Standards“.

Zentral erarbeitet wurde das Dokument von EKD, Diakonie und UBSKM maßgeblich durch Betroffenenvertreter*innen und kirchliche Beauftragte aus dem Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt (BeFo) der EKD und Diakonie sowie der von der UBSKM eingerichteten Arbeitsgruppe "Aufarbeitung Kirchen", zu der neben der Unabhängigen Beauftragten (UBSKM), dem Betroffenenrat beim UBSKM-Amt auch die Aufarbeitungskommission gehört. Ziel der „Gemeinsamen Erklärung“ und der Kommissionen ist die unabhängige, umfassende und transparente Aufarbeitung sexualisierter Gewalt nach überregional vergleichbaren Standards in allen evangelischen Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden.

Auf Grundlage der „Gemeinsamen Erklärung“ werden ab sofort „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen“ aufgebaut, auch im Bereich der Nordkirche.

 

Hier finden Sie die Dokumente zur "Gemeinsamen Erklärung"

Gemeinsame Erklärung UBSKM-EKD-Diakonie

Auslegungshilfe

Pressestatements der Beteiligten der AG Aufarbeitung der UBSKM

 

Eine „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission“ für den Nordosten

„Die Nordkirche tut sich für die Unabhängige regionale Aufarbeitungskommission im Nordosten Deutschlands mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und den Diakonischen Werken der Region zusammen“, sagt Rainer Kluck, Leiter der Stabsstelle Prävention – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der Nordkirche in Hamburg. „Die beiden Landeskirchen haben bereits gemeinsam mit den Diakonischen Werken Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg Grundlagen erarbeitet und werden die Unabhängige regionale Aufarbeitungskommission im kommenden Jahr gründen.“

 

Das Ziel ist Aufarbeitung nach einheitlichen Standards

Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), betonte, dass die „Gemeinsame Erklärung“ den Grundstein dafür lege, dass zentrale Standards und Kriterien von Aufarbeitung wie Unabhängigkeit, Professionalität, Transparenz und die Partizipation von Betroffenen in allen Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden eingeführt und verlässlich umgesetzt werden.

Durch die Aufarbeitungskommissionen könnten Betroffene losgelöst von Verfahren innerhalb der jeweiligen Institution Aufarbeitung nach einheitlichen Standards einfordern oder einen unzureichenden Umgang mit bereits gemeldeten Fällen melden. Auf diese Weise kann eine grundlegende Beteiligung an Aufarbeitungsprozessen gelingen.

Rainer Kluck erklärt: „Die Aufarbeitungskommission erweitert das in der Nordkirche bestehende Netz von Kontakt- und Begleitungsangeboten für Betroffene, das aus der Unabhängigen Ansprechstelle UNA, den Präventions- und Meldebeauftragten und der Anerkennungskommission besteht, um ein wichtiges Element.“ Möglichst flächendeckende Präventionsarbeit und mehr Aufmerksamkeit für das Thema sollen dazu führen, sexualisierte Gewalt möglichst zu verhindern oder schnellstmöglichst zu stoppen. Mehr Informationen dazu erhalten Sie auf dieser Website.

 

Hintergrund: Struktur und Aufgaben der Aufarbeitungskommissionen

Insgesamt werden bundesweit neun „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen“ geschaffen, die regional für den jeweiligen Verbund aus Landeskirche/n und den Landesverbänden der Diakonie/Diakonischen Werken vor Ort zuständig sind. Sie werden besetzt mit unabhängigen Expert*innen aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung, außerdem mit Vertreter*innen von Betroffenen und Vertreter*innen der Landeskirchen und der Diakonie. Die unabhängigen Expert*innen sollen durch die jeweiligen Landesregierungen benannt werden.

Die Kommissionen sollen transparent arbeiten und eine systematische sowie auf regionale Faktoren fokussierte Aufklärung von Fällen und Vorgängen sexualisierter Gewalt wie auch auch deren Evaluation ermöglichen. Ziel ist eine qualitative Stärkung von Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie. Institutionelle Aufarbeitung soll hierüber sichergestellt und durch bereits abgeschlossene wie auch aktuell laufende Aufarbeitungsstudien, -gutachten und -projekte ergänzt werden.

 

Aufmerksamkeit für die Beteiligung Betroffener

Der Unterzeichnung war ein intensiver Aushandlungsprozess vorausgegangen. Die Aussetzung des Betroffenenbeirates der EKD im Frühjahr 2021 verzögerte die Gespräche. In den 2022 fortgesetzten Gesprächen ist es gelungen, gemeinsam mit den Betroffenenvertreter*innen aus dem neuen Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt und kirchlichen Beauftragten der EKD und Diakonie eine Konzeption regionaler Betroffenenbeteiligung zu entwickeln. Für betroffene Personen vorgesehen sind jährliche Foren in den Verbünden, sowie die Mandatierung von Betroffenenvertreter*innen in den Kommissionen selbst. Diese Strukturen bilden die Grundlage für eine grundsätzliche und umfassende Struktur der Betroffenenbeteiligung.

Nancy Janz, Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt kommentierte: „Wir freuen uns sehr, dass die Gemeinsame Erklärung nun unterzeichnet ist – in dem Wissen, dass ab jetzt mit dem Aufbau der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen noch viel Arbeit auf uns zukommen wird, aber mit dem klaren Ziel, dass es nun systematisch und strukturiert vorangeht.“

Die Bevollmächtigte der EKD, Anne Gidion, hob bei der Unterzeichnung die besondere Bedeutung der Beteiligung betroffener Personen für die Aufarbeitung hervor: „Als ständiger Gast im Beteiligungsforum erlebe ich die Herausforderungen, aber auch die Chancen einer systematischen und weitgehenden Beteiligung von Betroffenen. Angemessene Formate der Beteiligung zu finden braucht Zeit und Sorgfalt.“ In der Kirche und in anderen gesellschaftlichen Feldern müssten betroffene Menschen intensiv und verbindlich in den Prozess eingebunden sein. „Nur so kann die notwendige Aufarbeitung transparent gelingen.“

 

Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zum Aufbau Unabhängiger Regionaler Aufarbeitungskommissionen der evangelischen Landeskirchen
Unterzeichnung der "Gemeinsamen Erklärung" durch Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, Kerstin Claus (UBSKM) und Anne Gidion, Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union (von links nach rechts).