Stabsstelle: 4. Fachforum Prävention zum Thema Betroffenenorientierung
Am Donnerstag, den 25. April lud die Stabsstelle Prävention zum 4. Fachforum Prävention nach Hamburg ein. Die Tagung trug den Titel ""WIR" und "DIE" – Perspektiven gegen die systematische Ausgrenzung Betroffener". Fachvorträge mündeten in eine intensive Diskussion unter den knapp 70 Teilnehmenden im Plenum sowie in Arbeitsgruppen.
4. Fachforum Prävention der Nordkirche:
Perspektiven gegen eine systematische Ausgrenzung Betroffener
Im Fokus des Fachforums der Nordkirche stand der Umgang mit Betroffenen. Wie deren leidvolle Erfahrung zeigt und die ForuM-Studie unterstreicht, wird und wurden ihnen geschilderte Taten oft nicht geglaubt. Sie erfuhren und erfahren Ausgrenzung im Umfeld und in der Institution.
Die Tagung begab sich auf die Suche nach Antworten. In Frage steht: Wie ist die Haltung zu Tat, Täter*innen und betroffenen Menschen? Welche Haltung prägen Gesellschaft und das Rechtssystem? Wie verhalten sich Institutionen wie Kirchen dazu? Was schränkt ihre Perpektive ein? Aber vor allem: Was braucht es für eine Haltungsänderung und für das Gelingen von Betroffenenbeteiligung bei der Aufarbeitung und in der Prävention?
Vier Fachvorträge am Morgen öffneten den Raum für intensiven Austausch zu spezifischen Themen am Nachmittag. Auch das Plenum war divers besetzt: es entstand eine offen geführte Diskussion unter teilnehmenden betroffenen Personen, Fachkräften von Beratungsstellen und Wissenschaftler*innen, die mit dem Thema befasst sind, sowie Fachkräften und Mitarbeitenden im Feld Prävention und Intervention von evangelischer Kirche und Diakonie der Nordkirche und darüber hinaus.
Die Stabsstelle dankt den Vortragenden für ihre Beiträge. Sie dankt zugleich den Teilnehmenden, die mit Erfahrungswissen als Betroffene ihre Perspektiven eingebracht haben.
Die Beiträge in der Programmfolge:
- Begrüßung und Zeitansage "Wo stehen wir?" als Nachwort: Rainer KLUCK, Leiter der Stabsstelle Prävention - Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der Nordkirche
- Organisiertes, institutionelles Misstrauen gegenüber Betroffenen Professor Dr. Jörg M. FEGERT, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm
- Das Beteiligungsforum als Modell der Betroffenenpartizipation Nancy JANZ, Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der EKD
- Organisierte sexualisierte Gewalt - im Zweifel für die Betroffenen Dr. Eva LAUER-von LÜPKE, Juristin und Traumafachberaterin; Geschäftsführerin der Emanuel-Stiftung in Bonn
- Beteiligung in der Schutzkonzeptarbeit Ulrike MINAR, Leiterin des Kinderschutzzentrums Hamburg
Hier finden Sie das Programm des 4. Fachforum Prävention. Die Veranstaltung fand statt im Tagungshaus Georgie in Hamburg-St. Georg.
Aus dem Vortrag von Professor Jörg Fegert, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm:
Jörg Fegert wies die vielfach zu kritische Haltung zu den Aussagen betroffener Menschen von Institutionen wie Medizin, Recht und vor allem den Organisationen, in denen Taten geschehen mit vielen Fallbeispielen und durch wissenschaftlliche Evidenz erhärtet nach.
Er nahm auch Bezug auf Debatten, Beiträge zum synodalen Weg in der katholischen Kirche und betonte, dass ein Grundprinzip, das Pater Klaus Mertes* für die katholische Kirche geltend mache, ebenso für die evangelische Kirche gelte:
„Das Streben nach Aufarbeitung und Anerkennung des Leids der Betroffenen und die Aufgabe der evangelischen Kirche sich ihrer Verantwortung zu stellen, ist zu unterscheiden vom Interesse der Kirche, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen.“
* Siehe Klaus Mertes: "Den Kreislauf des Scheiterns durchbrechen: Damit die Aufarbeitung des Missbrauchs am Ende nicht wieder am Anfang steht", Patmos-Verlag 2021
Aus dem Schlusswort von Rainer Kluck, Leiter der Stabsstelle Prävention der Nordkirche:
"Es ist und bleibt ein herausfordernder, aber ebenso spannender gemeinsamer Weg, Betroffene zu beteiligen – ohne sie zu vereinnahmen, den Dialog miteinander sprachsensibel weiterzuentwickeln.
Auch wenn wir jetzt noch nicht alle Antworten wissen, sind wir auf dem Weg, gemeinsam zumindest die interessanten Fragen herauszufinden. Dafür war dieses 4. Fachforum gedacht."
"Wir verstehen die Perspektive von Betroffenen als entscheidendes Orientierungsmerkmal, um unsere Aufgaben in Prävention, Intervention, Aufarbeitung und bei der Anerkennung zu überprüfen und neu zu ordnen."
Hintergrund:
Das Fachforum Prävention ist eine Veranstaltungsreihe im Diskurs um Aspekte des Themas „Sexualisierte Gewalt im Kontext von Kirche, Diakonie und Gesellschaft“. Es findet alle zwei Jahre statt und versucht multi-perspektivisch für Prävention, Intervention, Aufarbeitung und Anerkennung Impulse aus der Wissenschaft und gesellschaftspolitischen Debatte sowie der Praxis einzubringen.
Neben dem Austausch auf der Fachebene dient das Fachforum Prävention der Vernetzung über die kirchlichen und diakonischen Strukturen hinaus.